YouTube, Facebook, Telegram & Co
Die islamistische Szene ist vermehrt digital unterwegs, um junge Menschen anzusprechen. Welche Kanäle nutzt sie hierfür? Was sind die Besonderheiten der einzelnen Plattformen und wie funktioniert ihr Zusammenspiel in Radikalisierungsprozessen?
Soziale Netzwerke werden von Islamistinnen und Islamisten ausgiebig als Verbreitungsweg für extremistische Inhalte genutzt. Wer sich online zum Thema Islam informieren möchte, stößt auf sozialen Medien wie YouTube, Facebook, Instagram, TikTok und Messenger-Diensten wie WhatsApp und Telegram sehr schnell auf Inhalte, die zumindest unterschwellig radikale bis extremistische Ideologien verbreiten. Jungen Menschen, die sich über den Islam informieren möchten, wird auf diesen Kanälen eine Auslegung der Religion vermittelt, die sich von unserer demokratischen Gesellschaft abgrenzt. Dabei fühlen sich durchaus auch nicht-muslimische Jugendliche von den Inhalten stark angesprochen.
Soziale Medien YouTube und Co
Eine zentrale Stellung in den Propaganda-Strategien von islamistischen Extremistinnen und Extremisten nimmt YouTube ein. Zu den Hoch-Zeiten des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak nutzte die Terrorgruppe die Plattform zur Verbreitung ihrer Propagandavideos, die das Leben im Bürgerkrieg verklärten und zum bewaffneten Kampf aufriefen. Explizite Gewaltdarstellungen waren oftmals Bestandteil dieser Videos. Heute findet sich solche Gewaltpropaganda eher selten in den sozialen Medien. Der Rückgang offensichtlich terroristischer Propaganda erklärt sich zum einen durch das Verbot extremistischer Symbole, wie der IS-Flagge. Zum anderen führen verbesserte Filter- und Kontrollmechanismen von YouTube und anderen sozialen Medien dazu, dass verbotene Symbole und Gewaltdarstellungen schneller gefunden und gelöscht werden.
Islamistische Inhalte sind heute schwerer als solche zu erkennen
Aber auch weiterhin finden sich salafistische und andere islamistische Inhalte auf den entsprechenden Plattformen – heute sind diese jedoch oftmals sehr viel subtiler und damit schwerer als solche zu erkennen: Ein großer Teil der Kanäle auf YouTube, die theologische Inhalte zum Islam anbieten, weisen in unterschiedlichem Grad Bezüge zu extremistischen Überzeugungen auf. Eine gute Übersicht zum Thema bietet die Bundeszentrale für politische Bildung. Demnach lässt sich die Mehrheit der Kanäle mit Inhalten zum Islam eindeutig dem Salafismus zuordnen, weist Bezüge zur islamistischen Hizb ut-Tahrir auf oder enthält zumindest Versatzstücke salafistischer oder islamistischer Glaubensüberzeugungen.
Die Algorithmen der Plattformen spielen Islamistinnen und Islamisten in die Hände
Die Algorithmen von YouTube begünstigen außerdem, dass Nutzende Vorschläge zu immer radikaleren Inhalte erhalten: Sehr schnell gelangt man also von unterschwellig extremistischen zu eindeutig extremistischen Inhalten.
Ganz ähnlich funktioniert der Mechanismus auf Facebook und vor allem bei Instagram: Hier werden Bilder von Essen, Make-Up oder Kleidung von extremistischen Kanälen eingesetzt, um den Eindruck harmloser Inhalte zu vermitteln. Gerade extremistische Kanäle für Mädchen und Frauen wirken durch eine in Rosatönen gehaltene Farbgebung und Verzierungen mit Blumen und Herzen besonders harmlos. Tatsächlich werden solche Inhalte aber von den Extremistinnen und Extremisten mit verfassungswidrigen Botschaften kombiniert. Auch TikTok hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung für die islamistische Szene gewonnen. Auf dem besonders bei Jugendlichen beliebten Medium sind mittlerweile auch salafistische Prediger genauso wie jugendaffine Gruppierungen, die der Hizb ut-Tahrir nahestehen, vertreten und erreichen dort hohe Abonnentenzahlen (mehr dazu beim BR oder dem Portal Hass im Netz).
Messenger-Dienste Telegram und das Dark Social
Auch auf sozialen Messenger-Diensten, allen voran bei Telegram, verbreiten Extremistinnen und Extremisten ihre Inhalte. Da diese Dienste ihnen mehr Privatsphäre garantieren und für Sicherheitsbehörden schwerer einzusehen sind als andere soziale Medien, verlagern Islamistinnen und Islamisten ihre Netzwerke zunehmend auf solche Messenger-Dienste und nutzen sie für Rekrutierungsversuche. In solchen Netzwerken wird nicht mehr öffentlich, sondern in privaten Gruppen kommuniziert, weshalb man auch vom "Dark Social" spricht (mehr dazu bei der Bundeszentrale für politische Bildung). Wie auf Instagram wird auch hier mit niedrigschwelligen Inhalten gearbeitet, die an die Lebenswelten junger Menschen anknüpfen. Das Spektrum reicht hier von Beiträgen, die Diskriminierungserfahrungen aufgreifen, bis zu Ratschlägen in Liebesdingen. Auch Messenger-Gruppen zu augenscheinlich unverfänglichen Themen wie islamkonformen Kochrezepten oder Fitnessangeboten können von einzelnen Personen dazu missbraucht werden, radikale Inhalte zu verbreiten und beispielsweise die Einführung der Scharia zu fordern. Wer diesen Personen folgt, gelangt schnell an noch radikalere Inhalte bis hin zum Aufruf zum Dschihad.
Im "Dark Social" können Islamistinnen und Islamisten quasi unbehelligt Inhalte verbreiten
Gerade Telegram spielt dabei eine wichtige Rolle, denn hier können über sogenannte Kanäle eine große Anzahl von Personen gleichzeitig erreicht werden. In den Kanälen können im Gegensatz zu Gruppen-Chats nur die Kanal-Ersteller schreiben; sie sind zwar teilweise leicht zugänglich, aber für die Behörden nicht öffentlich einsehbar. Zudem gibt es für Nutzende nur beschränkte Möglichkeiten, problematische Inhalte zu melden. Zu Gruppen-Chats, an denen bis zu 200.000 Personen beteiligt sein können, und zu privaten Chats nimmt Telegram gar keine Anfragen an. Sticker-Pakete, Kanäle und Bots können zwar als illegal gemeldet werden - oft dauert es aber sehr lange, bis die Plattform reagiert, wenn überhaupt.
Sie sind auf problematische Inhalte gestoßen, die illegal oder jugendgefährdend erscheinen, und wollen diese melden? Meldestellen der Polizei oder von jugendschutz.net haben oft einen direkten Draht zu den Plattformen und können schneller eine Löschung erreichen.
https://www.jugendschutz.net/hotline/
Telegram selbst ist – im Gegensatz zu sozialen Medien wie Facebook oder YouTube – noch nicht gesetzlich verpflichtet, rechtswidrige Inhalte aktiv zu löschen. Denn ob das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das soziale Netzwerke auffordert gegen rechtswidrige Inhalte aktiv zu werden, auch für Messenger-Dienste wie Telegram gilt, ist umstritten (zum Artikel bei Netzpolitik.org). Die Inhalte dort unterliegen somit kaum einer Kontrolle, sodass sogar strafrechtlich relevante Inhalte leicht geteilt werden können. In diesem Umfeld verbreiten sich Verschwörungsmythen und extremistische Ideologien besonders leicht.
Zusammenspiel der Kanäle
Dieser aufgezeigte Mechanismus – die Weiterleitung von harmlosen zu immer radikaleren Inhalten – funktioniert nicht nur innerhalb eines Kanals, sondern auch kanalübergreifend: Extremistinnen und Extremisten sind oftmals mit jeweils auf das spezifische Format angepassten Inhalten auf mehreren Kanälen aktiv, also z.B. mit einem YouTube-Kanal, einem Instagram-Profil und einer Telegram-Gruppe. Wer sich zunächst auf YouTube oder Instagram über religiöse Fragen informieren möchte, wird möglicherweise von Algorithmen zu immer radikaleren Inhalten geleitet. Gleichzeitig laden Extremistinnen und Extremisten häufig dazu ein, Teil einer privaten Messenger-Gruppe zu werden, in der dann auch strafrechtlich relevante Inhalte geteilt werden können.
Zwar gehen die großen sozialen Netzwerke – auch aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelungen – verstärkt gegen extremistische Inhalte und Gewaltpropaganda vor. Gerade bei Inhalten, die extremistische Botschaften eher unterschwellig vermitteln, greifen die Mechanismen der Plattformen aber weniger effektiv, sodass eine große Menge an islamistischer Online-Propaganda über das Netz verbreitet wird.
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