Aktuelle Forschung
Welche Faktoren spielen eine Rolle für den Verlauf einer Radikalisierung? Welche Mechanismen nutzt salafistische Propaganda? Und wie kann dieses Wissen für die Präventionsarbeit nutzbar gemacht werden?
Mit der wachsenden Herausforderung durch den extremistischen Salafismus wird auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen immer wichtiger. Das Forschungsfeld hat sich dabei in jüngster Zeit zunehmend auf einzelne Themen bzw. Aspekte spezialisiert und damit zu einem vertieften Verständnis des Phänomens beigetragen.
Ziel ist, eine enge Vernetzung zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik zu erreichen. Dies gelingt im Fall von NRW durch das Kompetenznetzwerk zur Erforschung des (neo-)salafistischen Extremismus in NRW (CoRE NRW – Connecting Research on Extremism). CoRE-NRW bündelt Expertise und Kompetenzen aus Wissenschaft und Praxis und macht diese für NRW nutzbar.
Forschungsthemen
Neben Merkmalen von Radikalisierungsverläufen oder den ideologischen und organisatorischen Mobilisierungsstrategien des extremistischen Salafismus, stehen zum Beispiel die phänomenübergreifende Forschung, Online-Radikalisierung oder Gender-Aspekte im Fokus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Welche Faktoren spielen eine Rolle bei Hinwendungs- und Distanzierungsprozessen? Bei der Beantwortung dieser Fragen rückt zunehmend der Vergleich bzw. die Abgrenzung von unterschiedlichen Formen des Extremismus ins Forschungsinteresse. So will die Forschung durch phänomenübergreifende Perspektiven neue Erkenntnisse über grundlegende Faktoren, phänomenspezifische Merkmale sowie die künftige Ausrichtung von Präventionsansätzen gewinnen. Gerade der Blick auf den Bereich Rechtsextremismus gewinnt zunehmend an Bedeutung. Rechtsextreme und salafistische Akteure nehmen oftmals aufeinander Bezug und verstärken so Radikalisierungsdynamiken.
Radikalisierungsprozesse verlaufen meist in einem Zusammenspiel zwischen sozialen Onlinemedien und der Offline-Welt. Die erfolgreiche Internetpropaganda der Salafisten und ihre realweltliche Mobilisierungskraft liegen folglich im Interesse von Forscherinnen und Forschern. Salafistische Internetpropaganda ist professionell gestaltet, spricht Jugendliche gezielt an – und ist oft auf den ersten Blick nicht als extremistisch zu erkennen. Aus ihrer Forschung versprechen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Erkenntnisse darüber, wie erfolgreiche Online-Prävention gestaltet werden kann.
Darüber hinaus rückt die Genderperspektive zunehmend in das Blickfeld wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit salafistischen Gruppierungen. Gemäß den Gendervorstellungen des Salafismus sind Frauen in ihrem sozialen Stand den Männern klar untergeordnet. Dennoch schließen sich Mädchen und junge Frauen salafistischen Gruppierungen an. Obwohl Frauen nur einen geringen Teil der Anhängerschaft des extremistischen Salafismus ausmachen, leisten sie in ihrer Rolle als Erzieherinnen und „Gefährtinnen“ einen wichtigen Beitrag innerhalb des sozialen und ideologischen Gefüges. Was also macht den extremistischen Salafismus für Frauen attraktiv? Und bleibt diese Anziehungskraft auch nach dem Einstieg in die Szene bestehen? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich die Forschung.
Forschungsansätze
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit dem Phänomen des extremistischen Salafismus beschäftigen, kommen aus verschiedenen Fachrichtungen. Dabei betrachten die Forschenden ihre Fragestellungen verstärkt auch inter- und transdisziplinär und nehmen unterschiedliche Perspektiven zur Erklärung des Phänomens ein. Diese reichen von der individuellen Ebene über gruppenbezogene Ansätze bis hin zu gesellschaftlichen oder sogar globalen Erklärungen.
Wieso radikalisiert sich eine Person – und eine andere nicht? Erklärungen hierfür nimmt die individuelle Ebene in den Fokus. Die psychologische Forschung versucht zum Beispiel herauszufinden, ob bestimmte Persönlichkeitseigenschaften extremistische Einstellungen begünstigen. Einen anderen Ansatz verfolgt die biografische Forschung. Sie sucht Erklärungsmuster für die Herausbildung extremistischer Haltungen entlang der persönlichen Entwicklung. Ebenso werden die Einflussfaktoren auf diese Entwicklung in den Blick genommen
Gruppenbezogene Ansätze untersuchen Sozialisierungsprozesse in bestimmten Milieus oder innerhalb bestimmter Gruppen: Welche Dynamiken und Mechanismen innerhalb dieser Prozesse begünstigen eine Radikalisierung? Im Fokus stehen zum Beispiel die Rekrutierungsstrategien und Netzwerke extremistischer Gruppen, über die sie ihre Anziehungskraft vor allem auf Jugendliche ausüben. Forschende gehen davon aus, dass vereinfachte Erklärungs- und Deutungsmuster sowie das Angebot einer niedrigschwelligen Erlebniswelt, die das Bedürfnis nach Anerkennung und Gemeinschaftsgefühl erfüllt, eine wichtige Rolle spielen.
Eine dritte Perspektive bieten Forschungsansätze, die auf die Gesellschaft als Ganzes schauen und Radikalisierung als Teil politischer und sozialer Dynamiken begreifen. Sie nehmen politische Rahmenbedingungen, soziale Konflikte und gesellschaftliche Diskurse in den Blick. Welche sozialen Schieflagen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Teilhabechancen oder Diskriminierung sozialer Gruppen, spielen eine Rolle? Gesellschaftliche (Des-)Integrationsprozesse und Diskursverschiebungen spiegeln sich zum einen in Narrativen extremistischer Gruppen wider – wie zum Beispiel bestimmten Opfer- oder Verteidigungsnarrativen. Zum anderen bilden sie Anknüpfungspunkte für die Politisierung in Radikalisierungsprozessen von Individuen oder Gruppen.
Evaluation von Prävention
Mit der zunehmenden Anzahl und Dauer von Präventionsprojekten beschäftigt die Wissenschaft auch deren Evaluation. Durch Evaluationen können mit Hilfe von wissenschaftlichen Methoden Projekte und deren Ergebnisse analysiert werden. Ziel ist es, Wissen über die Effektivität und Effizienz von solchen Präventionsmaßnahmen zu gewinnen. Evaluationen können etwa danach fragen, welche Wirkung Präventionsmaßnahmen haben oder wodurch sie noch zielgerichteter gestaltet werden können. Evaluationsvorhaben können unter Umständen die Umsetzung einer Präventionsmaßnahme begleiten, um so auch deren Umsetzung und Anpassung zu betrachten.
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