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Interview: So koordiniert NRW den Umgang mit Rückkehrenden

Wie sieht die Arbeit des RKK in NRW aus?

Welche Aufgaben hat der Rückkehrkoordinierende (RKK) in NRW? Vor welchen Herausforderungen steht er bei seiner Arbeit? Erfahren Sie mehr in unserem Interview.

Das Interview wurde im März 2020 mit dem damaligen Rückkehrkoordinierenden (RKK) des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Felix Medenbach, geführt. Herr Medenbach war in dieser Position bis Ende 2021 tätig. Im Bereich "Unsere Angebote" bieten wir Ihnen weiterführende Informationen zur Rolle der Rückkehrkoordination.

Wie konkret sieht Ihre Aufgabe als Rückkehrkoordinierender für das Land NRW aus?

Medenbach: Mein Aufgabengebiet umfasst drei Bereiche: das Monitoring von Rückkehrern sowie potenziellen Rückkehrern – also Personen, von denen die Sicherheitsbehörden wissen, dass sie ausgereist sind und sehr wahrscheinlich nach Deutschland zurückkehren werden. Bei der Gruppe der Rückkehrer prüfen wir, ob Deradikalisierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das Aussteigerprogramm Islamismus (API) für eine gesellschaftliche Wiedereingliederung eine Option sind.

Hilfesuchende Familienangehörige von Ausgereisten versuchen wir ebenfalls zu unterstützen – sei es durch die Vermittlung an eine der 25 Beratungsstellen des Programms „Wegweiser – gemeinsam gegen gewaltbereiten Salafismus“ in NRW oder an andere Akteure.

Somit bilde ich die Informationsschnittstelle in Rückkehrkonstellationen zu Sicherheitsbehörden, den Regelstrukturen der Kommune, des Landes sowie des Bundes, der Justiz sowie zu zivilgesellschaftlichen Akteuren. Oberstes Ziel hierbei ist die Vernetzung: Ein landesweites Netzwerk ermöglicht ein schnelles, zielgerichtetes und nachhaltiges Handeln im Umgang mit Rückkehrern. Hierzu kann ich bei Bedarf sogenannte regionale „Runde Tische“  unter Einbindung aller betroffener Institutionen und Akteure einberufen und bei der Vermittlung an bestehende Hilfe- und Regelsysteme unterstützen.


Mit welchen anderen Akteuren arbeiten Sie zusammen?

Medenbach: Mit allen in Rückkehrfällen eingebundenen Institutionen. Konkreter heißt dies: Wird bekannt, dass eine ausgereiste Person, die sich in Syrien oder dem Irak dschihadistischen Gruppierungen angeschlossen hat oder diese unterstützt, nach Deutschland zurückkehren wird, ist primär die Polizei zuständig, um gefahrenabwehrende sowie strafprozessuale Maßnahmen zu prüfen. Daher bin ich als Rückkehrkoordinierender in die Sicherheitsstruktur des Landes eingebunden und stehe in direktem Kontakt zu den beteiligten Referaten im Ministerium des Innern, dem Landeskriminalamt NRW und den Kriminalinspektionen Staatsschutz der Polizei NRW.

Darüber hinaus stehe ich fallbezogen auch mit den Akteuren in Kontakt, die nicht mit sicherheitsrelevanten Aufgaben betreut sind, wie zum Beispiel Jugend- und Schulämtern und psychologischen Diensten.

Meine Aufgabe ist es, den für alle erforderlichen Informationsfluss sicherzustellen, um eine möglichst erfolgreiche Deradikalisierung der Rückkehrer und letztlich eine Reintegration möglich zu machen.

Was ist bei der Rückkehr von Kindern besonders zu beachten?

Medenbach: Kinder müssen zuerst als Opfer angesehen werden, ohne dabei den Aspekt der Sicherheitsgefährdung zu vernachlässigen. Denn bekannt ist, dass vom sogenannten Islamischen Staat rekrutierte Kinder ab einem Alter von rund fünf Jahren islamistisch indoktriniert wurden, um dem sogenannten IS absolute Loyalität zu schwören. Ab einem Alter von rund neun Jahren müssen wir davon ausgehen, dass Kinder auch eine militärische Ausbildung durchlaufen haben und im Umgang mit Waffen geschult sein können.

Wahrscheinlich ist aber auch, dass viele der zurückkehrenden Kinder Traumata erlitten haben – sei es durch das Kriegserleben, Gräueltaten, das Ansehen von öffentlichen Bestrafungsaktionen oder sogar Hinrichtungen durch den sogenannten IS. Kaum vorstellbar, aber durch den sogenannten IS wurden sogar Kinder dazu instrumentalisiert, Gefangene hinzurichten. Von daher müssen wir berücksichtigen, dass zurückkehrende Kinder möglicherweise weiterhin hochradikalisiert und traumatisiert sind. Um hier der Kinderfürsorge Rechnung zu tragen, müssen alle Strategien und Leitlinien für erforderliche Interventionen auf das Kindesalter abgestimmt sein. Dabei kommt insbesondere den Jugendämtern eine besondere Bedeutung zu.


Wie schätzen Sie die Gefahr ein, die von den zurückgekehrten Personen ausgeht?

Medenbach: Rückkehrende aus dschihadistischen Kampfgebieten stellen ein hohes Risiko für die innere Sicherheit Deutschlands dar. Die Gruppe der Rückkehrenden umfasst dabei sehr unterschiedliche Personen: Dazu gehören Kleinkinder, aber auch radikalisierte oder traumatisierte Jugendliche oder Erwachsene, die unverändert der jihadistischen Ideologie anhängen und über Kampferfahrungen verfügen. Die Enttäuschung über den sogenannten  IS führt nicht notwendigerweise zur Distanzierung von einer gewaltbereiten Ideologie oder  zum Ausstieg aus dem „Islamismus“.

Eine besondere Rolle kommt dabei auch der Heterogenität der Gruppe der zurückkehrenden Personen zu, die unterschiedliche Koordinierungsbedarfe der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen mit sich bringt. Dabei ist ein multidisziplinärer Ansatz erforderlich – sowohl für die Risikobewertung als auch für die Deradikalisierung und gesellschaftliche Wiedereingliederung. Mein Ziel als Rückkehrkoordinierender ist die Einbindung aller relevanten Institutionen und Akteure, die hierfür erforderlich sind.


Was ist für Sie persönlich die größte Herausforderung in Ihrer Funktion als Rückkehrkoordinierender beim Umgang mit den Zurückgekehrten?

Medenbach: Im Bereich Prävention oder Deradikalisierung ist NRW sehr gut aufgestellt und verfügt bereits über Erfahrungen im Umgang mit zurückgekehrten Personen. Weiterhin setze ich mich für ein ganzheitliches, koordiniertes und standardisiertes Vorgehen bei Rückkehrern ein. Die größte Herausforderung sehe ich allerdings bei der Wiedereingliederung von Rückkehrern, die weiterhin hoch radikalisiert und nicht bereit sind, ihre extremistische Ideologieeinstellung zu hinterfragen. Auch in diesen Fällen werden wir sicherstellen, dass die Ausstiegsbegleiter des API das Mögliche unternehmen, um bei diesen Personen einen Distanzierungsvorgang zu initiieren.